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+ | Die Anfang des 16. Jahrhunderts aus Portugal vertriebenen Juden ließen sich in verschiedenen Städten Hollands, Italiens, Frankreichs und Deutschlands nieder. Zu erwähnen sind vor allem die Städte Hamburg, Amsterdam und Livorno, in denen das Juden-Portugiesische, das heutzutage ausgestorben ist, am längsten erhalten blieb. Ein Manuskript aus dem 18. Jahrhundert belegt, dass alle Juden, die in Amsterdam und Livorno lebten, Portugiesisch sprachen. Heute lassen sich noch Spuren des Judenportugiesischen in Familiennamen und in einigen umgangssprachlichen Wörtern der Sprache der Nachfahren der portugiesischen Juden finden. | ||
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+ | Juden-Portugiesisch gilt als eine Varietät des Portugiesischen mit archaischen Besonderheiten und ist eine wenig erforschte Sprache. Die kompletteste Studie über eine Varietät des Juden-Portugiesischen ist die von Tavani (1959), die sich auf sieben Texte aus Livorno aus dem 18. Jahrhundert stützt. Das Juden-Portugiesische von Livorno wird auch Juden-Livornesisch genannt. Der Grund dafür, dass in Livorno verstärkt Juden-Portugiesisch gesprochen wurde, sind die ''Leggi Livornine'', die um 1600 erlassen wurden und Händlern verschiedenster Herkunft die freie Ausübung ihrer Religion gewährten. Dadurch ließen sich verschiedene Bevölkerungsgruppen in Livorno nieder, unter anderem die aus Spanien und Portugal stammenden sephardischen Juden. | ||
+ | In Livorno wurde sowohl Juden-Portugiesisch als auch [[Juden-Spanisch]] gesprochen, wobei der Gebrauch dieser beiden Sprachen aufgeteilt war. Juden-Portugiesisch galt aufgrund der überlegenen Sprecherzahl als Sprache der Behörden und der Gesetzgebung, während Juden-Spanisch als Literatursprache galt. Juden-Spanisch lebt somit länger als Juden-Portugiesisch und ist immer noch auf Grabinschriften zu finden. Die Verwendung dieser beiden Sprachen wirkt reziprok und hat, auch auf Grund des italienischen Einflusses, Mischformen zur Folge. | ||
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+ | Die sprachlichen Einflüsse des Italienischen und Spanischen auf das Juden-Portugiesische sind vor allem in der Morphologie zu beobachten. | ||
+ | Im Juden-Portugiesischen gibt es viele spanische oder italienische Verben, Präpositionen und Konjunktionen, die an das portugiesische System angepasst wurden. | ||
+ | Häufig finden sich Änderungen im Genus. Beispielsweise sind die im Portugiesischen femininen Wörter ''ordem'' und ''margem'' im Juden-Portugiesischen maskulin: juden-port. ''o ordem'' (mask.) wegen ital. ''l’ordine'' (mask.) oder juden-port. ''o margem'' (mask.) wegen ital. ''il margine''. | ||
+ | Auf spanischen Einfluss geht die Konstruktion des Passivs mit ''ficar'' zurück, die aufgrund der spanischen Passivkonstruktion mit ''quedar'' entstanden ist. | ||
+ | Das Juden-Portugiesische weißt zahlreiche archaische Formen und Strukturen auf. ''Haver'' bleibt das einzige Hilfsverb für die zusammengesetzten Zeiten im Aktiv (''ha mostrado'', ''averão recolhido'') und ''ter'' wird fast ausschließlich im Sinne von ‚haben’ gebraucht. Außerdem steht das Relativpronomen ''cujo'' für ‚das’ oder ‚welcher’ (''de cuja filha seigia''). Des Weiteren stehen die Possessivpronomina ohne Artikel: ''a as entradas de nossa Esnoga''. | ||
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− | + | Sala, Marius: Die romanischen Judensprachen / Les langues judéo-romanes (Art. 476). In: Lexikon der Romanistischen Linguistik (LRL) Bd. 7, hrsg. von Günter Holtus. | |
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Revision as of 09:34, 29 October 2010
Contents
Juden-Portugiesisch
Juden-Portugiesisch ist eine judenromanische Sprache und gilt als eine Varietät des Portugiesischen, die von den Anfang des 16. Jahrhunderts aus Portugal vertriebenen Juden gesprochen wurde.
- Allgemeines
- Das Juden-Portugiesische von Livorno
- Sprachliche Merkmale
- Quellen
Allgemeines
Die Anfang des 16. Jahrhunderts aus Portugal vertriebenen Juden ließen sich in verschiedenen Städten Hollands, Italiens, Frankreichs und Deutschlands nieder. Zu erwähnen sind vor allem die Städte Hamburg, Amsterdam und Livorno, in denen das Juden-Portugiesische, das heutzutage ausgestorben ist, am längsten erhalten blieb. Ein Manuskript aus dem 18. Jahrhundert belegt, dass alle Juden, die in Amsterdam und Livorno lebten, Portugiesisch sprachen. Heute lassen sich noch Spuren des Judenportugiesischen in Familiennamen und in einigen umgangssprachlichen Wörtern der Sprache der Nachfahren der portugiesischen Juden finden.
Das Juden-Portugiesische von Livorno
Juden-Portugiesisch gilt als eine Varietät des Portugiesischen mit archaischen Besonderheiten und ist eine wenig erforschte Sprache. Die kompletteste Studie über eine Varietät des Juden-Portugiesischen ist die von Tavani (1959), die sich auf sieben Texte aus Livorno aus dem 18. Jahrhundert stützt. Das Juden-Portugiesische von Livorno wird auch Juden-Livornesisch genannt. Der Grund dafür, dass in Livorno verstärkt Juden-Portugiesisch gesprochen wurde, sind die Leggi Livornine, die um 1600 erlassen wurden und Händlern verschiedenster Herkunft die freie Ausübung ihrer Religion gewährten. Dadurch ließen sich verschiedene Bevölkerungsgruppen in Livorno nieder, unter anderem die aus Spanien und Portugal stammenden sephardischen Juden. In Livorno wurde sowohl Juden-Portugiesisch als auch Juden-Spanisch gesprochen, wobei der Gebrauch dieser beiden Sprachen aufgeteilt war. Juden-Portugiesisch galt aufgrund der überlegenen Sprecherzahl als Sprache der Behörden und der Gesetzgebung, während Juden-Spanisch als Literatursprache galt. Juden-Spanisch lebt somit länger als Juden-Portugiesisch und ist immer noch auf Grabinschriften zu finden. Die Verwendung dieser beiden Sprachen wirkt reziprok und hat, auch auf Grund des italienischen Einflusses, Mischformen zur Folge.
Sprachliche Merkmale
Die sprachlichen Einflüsse des Italienischen und Spanischen auf das Juden-Portugiesische sind vor allem in der Morphologie zu beobachten. Im Juden-Portugiesischen gibt es viele spanische oder italienische Verben, Präpositionen und Konjunktionen, die an das portugiesische System angepasst wurden. Häufig finden sich Änderungen im Genus. Beispielsweise sind die im Portugiesischen femininen Wörter ordem und margem im Juden-Portugiesischen maskulin: juden-port. o ordem (mask.) wegen ital. l’ordine (mask.) oder juden-port. o margem (mask.) wegen ital. il margine. Auf spanischen Einfluss geht die Konstruktion des Passivs mit ficar zurück, die aufgrund der spanischen Passivkonstruktion mit quedar entstanden ist. Das Juden-Portugiesische weißt zahlreiche archaische Formen und Strukturen auf. Haver bleibt das einzige Hilfsverb für die zusammengesetzten Zeiten im Aktiv (ha mostrado, averão recolhido) und ter wird fast ausschließlich im Sinne von ‚haben’ gebraucht. Außerdem steht das Relativpronomen cujo für ‚das’ oder ‚welcher’ (de cuja filha seigia). Des Weiteren stehen die Possessivpronomina ohne Artikel: a as entradas de nossa Esnoga. In der Phonetik des Juden-Portugiesischen geht die Neutralisierung der Opposition /b/-/v/ auf spanischen Einfluss und die Reduktion /įa/>/a/ der Endung -ancia/-encia auf italienischen Einfluss zurück.
Quellen
Sala, Marius: Die romanischen Judensprachen / Les langues judéo-romanes (Art. 476). In: Lexikon der Romanistischen Linguistik (LRL) Bd. 7, hrsg. von Günter Holtus. http://www.jewishvirtuallibrary.org/jsource/vjw/Livorno.html, zuletzt aufgerufen am 04.04.10.