Difference between revisions of "Genetische Linguistik"
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Die Auffassung, dass die Sprachwissenschaft eine Naturwissenschaft sei und sich demzufolge derselben Methoden bediene, hat ihre Blütezeit im 19. Jahrhundert. Vor allem August Schleicher (1821-1868) ging davon aus, dass Sprachen als natürliche Organismen, als Lebewesen betrachtet werden können, die sich kontinuierlich weiterentwickeln: | Die Auffassung, dass die Sprachwissenschaft eine Naturwissenschaft sei und sich demzufolge derselben Methoden bediene, hat ihre Blütezeit im 19. Jahrhundert. Vor allem August Schleicher (1821-1868) ging davon aus, dass Sprachen als natürliche Organismen, als Lebewesen betrachtet werden können, die sich kontinuierlich weiterentwickeln: | ||
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+ | Naturwissenschaft; ihre Methode ist im Ganzen und Allgemeinen dieselbe, wie die der übrigen Naturwissenschaften.'' | ||
+ | (Schleicher 1863: Die Darwinsche Theorie und die Sprachwissenschaft. Wieder abgedruckt in Christmann 1977, S. 88) | ||
Jede Sprache durchläuft so die Stadien von Geburt, Reife, Verfall und Tod. Schleicher sieht dabei enge Bezüge zur Biologie und speziell zur Evolutionstheorie von Charles Darwin (1809-1882). Der Kampf ums Dasein in der Tier- und Pflanzenwelt fände demnach genaueste Entsprechung in der Sprachwissenschaft. Auch die Sprachen müssten gegeneinander um ihre Existenz kämpfen. Als Beispiel für einen Sieger in einem solchen Kampf gibt Schleicher die indoeuropäische Sprachfamilie an. | Jede Sprache durchläuft so die Stadien von Geburt, Reife, Verfall und Tod. Schleicher sieht dabei enge Bezüge zur Biologie und speziell zur Evolutionstheorie von Charles Darwin (1809-1882). Der Kampf ums Dasein in der Tier- und Pflanzenwelt fände demnach genaueste Entsprechung in der Sprachwissenschaft. Auch die Sprachen müssten gegeneinander um ihre Existenz kämpfen. Als Beispiel für einen Sieger in einem solchen Kampf gibt Schleicher die indoeuropäische Sprachfamilie an. | ||
Die Auffassung von den Sprachen als biologische Organismen und von der genetischen Abstammung der Sprachfamilien findet ihren Ausdruck in der Stammbaumtheorie. Die Entwicklung einer Sprachfamilie (von Schleicher auch „Sprachsippe“ genannt) kann demzufolge in einem genealogischen Stammbaummodell dargestellt werden. Heutige Sprachstufen einer Sprachfamilie werden dabei auf eine gemeinsame, rekonstruierte Ursprache, die sogenannte Protosprache, zurückgeführt. | Die Auffassung von den Sprachen als biologische Organismen und von der genetischen Abstammung der Sprachfamilien findet ihren Ausdruck in der Stammbaumtheorie. Die Entwicklung einer Sprachfamilie (von Schleicher auch „Sprachsippe“ genannt) kann demzufolge in einem genealogischen Stammbaummodell dargestellt werden. Heutige Sprachstufen einer Sprachfamilie werden dabei auf eine gemeinsame, rekonstruierte Ursprache, die sogenannte Protosprache, zurückgeführt. | ||
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− | Esper, Erwin A. 1968: Mentalism and Objectivism in Linguistics. The sources of Leonard Bloomfield’s psychology of language. New York: American Elsevier. S. 95-104. <br> | + | ===Literatur:=== |
− | Christmann, Hans Helmut (Hrsg.) 1977: Sprachwissenschaft des 19. Jahrhunderts. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. <br> | + | *Esper, Erwin A. 1968: Mentalism and Objectivism in Linguistics. The sources of Leonard Bloomfield’s psychology of language. New York: American Elsevier. S. 95-104. <br> |
− | Streitberg, Wilhelm 1897: Schleichers Auffassung von der Stellung der Sprachwissenschaft. In: Indogermanische Forschungen 7. S. 360-372. | + | *Christmann, Hans Helmut (Hrsg.) 1977: Sprachwissenschaft des 19. Jahrhunderts. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. <br> |
+ | *Streitberg, Wilhelm 1897: Schleichers Auffassung von der Stellung der Sprachwissenschaft. In: Indogermanische Forschungen 7. S. 360-372. | ||
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Die Auffassung, dass die Sprachwissenschaft eine Naturwissenschaft sei und sich demzufolge derselben Methoden bediene, hat ihre Blütezeit im 19. Jahrhundert. Vor allem August Schleicher (1821-1868) ging davon aus, dass Sprachen als natürliche Organismen, als Lebewesen betrachtet werden können, die sich kontinuierlich weiterentwickeln:
Die Sprachen sind Naturorganismen, die, ohne vom Willen des Menschen bestimmbar zu sein, entstunden, nach bestimmten Gesetzen wuchsen und sich entwickelten und wiederum altern und absterben; auch ihnen ist jene Reihe von Erscheinungen eigen, die man unter dem Namen „Leben“ zu verstehen pflegt. Die Glottik, die Wissenschaft der Sprache, ist demnach eine Naturwissenschaft; ihre Methode ist im Ganzen und Allgemeinen dieselbe, wie die der übrigen Naturwissenschaften. (Schleicher 1863: Die Darwinsche Theorie und die Sprachwissenschaft. Wieder abgedruckt in Christmann 1977, S. 88)
Jede Sprache durchläuft so die Stadien von Geburt, Reife, Verfall und Tod. Schleicher sieht dabei enge Bezüge zur Biologie und speziell zur Evolutionstheorie von Charles Darwin (1809-1882). Der Kampf ums Dasein in der Tier- und Pflanzenwelt fände demnach genaueste Entsprechung in der Sprachwissenschaft. Auch die Sprachen müssten gegeneinander um ihre Existenz kämpfen. Als Beispiel für einen Sieger in einem solchen Kampf gibt Schleicher die indoeuropäische Sprachfamilie an. Die Auffassung von den Sprachen als biologische Organismen und von der genetischen Abstammung der Sprachfamilien findet ihren Ausdruck in der Stammbaumtheorie. Die Entwicklung einer Sprachfamilie (von Schleicher auch „Sprachsippe“ genannt) kann demzufolge in einem genealogischen Stammbaummodell dargestellt werden. Heutige Sprachstufen einer Sprachfamilie werden dabei auf eine gemeinsame, rekonstruierte Ursprache, die sogenannte Protosprache, zurückgeführt.
Andere Sprachen:
English: genetic linguistics
Siehe auch:
Literatur:
- Esper, Erwin A. 1968: Mentalism and Objectivism in Linguistics. The sources of Leonard Bloomfield’s psychology of language. New York: American Elsevier. S. 95-104.
- Christmann, Hans Helmut (Hrsg.) 1977: Sprachwissenschaft des 19. Jahrhunderts. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.
- Streitberg, Wilhelm 1897: Schleichers Auffassung von der Stellung der Sprachwissenschaft. In: Indogermanische Forschungen 7. S. 360-372.