August Friedrich Pott (de)

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Pott wurde am 14.11.1802 in Nettelrede (bei Bad Münder am Deister) geboren und verstarb am 5.7.1887 in Halle. Er begann sein Studium 1821 in Göttingen mit Theologie, fühlte sich aber vor allem zur Philologie hingezogen und hörte u.a. bei dem Germanisten Georg Friedrich Benecke. Lehrer am Gymnasium in Celle. 1827 Promotion in Göttingen; nach Habilitation in Berlin 1833 Professor für allgemeine Sprachwissenschaft in Halle (vgl. Bense 1979). Horn (1888: 317) bezeichnet Pott in seinem Nekrolog als „nestor der sprachforscher, der letzte der noch lebenden begründer der vergleichenden sprachforschung.“ Seine Themen waren u.a.: Etymologie, Zigeunersprache, Zahlwörter, Personennamen, Doppelungen; seine von Koerner (1973: 14, 21, 26) besonders gewürdigten Werke Zur Literatur der Sprachenkunde Europas (1887) und Einleitung in die allgemeine Sprachwissenschaft (1884-1890) geben eine Übersicht über das linguistische Wissen seiner Zeit und sind zugleich kommentierte Führer zur entsprechenden Literatur.

Für die Quantitative Linguistik ist auf Potts Einleitung in die allgemeine Sprachwissenschaft (1884-1890) hinzuweisen, deren 1. Teil 1884 erschien (Best ²2003: 8). Hier werden mehrere einschlägige Themen angeschnitten:

1. Pott (1884: 19) bezieht sich auf Leibniz, de arte combinatoria, wo ja die Frage behandelt wird, wie viele Wörter man bilden kann, wenn ein Alphabet eines bestimmten Umfangs zur Verfügung steht. Dass Leibniz hiermit in einer langen Tradition steht, kommt allerdings nicht zum Ausdruck (Best 2005a,b). In diesem Zusammenhang schneidet Pott (1884: 19f.)

2. Ein weiteres bedeutsames Thema an: Die Zahl der denkbaren Wörter ist ja davon abhängig, wie lang Wörter in einer Sprache sein können. Hierzu gibt Pott einen groben Überblick, in dem er vor allem auf die langen Wörter in mittel- und nordamerikanischen Sprachen sowie im Grönländischen (Potts Terminus) hinweist und einige Wörter in Silben und Buchstaben beziffert. Auch ein althochdeutsches Beispiel findet sich hier.

3. Pott relativiert Leibniz‘ Berechnung mit dem Hinweis, dass ja nicht jeder Buchstabe (Laut) mit jedem anderen kombiniert werden könne und selbst in allen Sprachen der Welt zusammen die berechnete Zahl der Wörter nicht vorkomme. Er führt diese Überlegungen mit Hinweisen auf die Zahl der Verbalwurzeln und Formelemente im Sanskrit fort, das „nicht mehr als ... 2000 V e r b a l w u r z e l n und ... höchstens 200 f o r m a l e [...] E l e m e n t e [...]“ (Pott 1884: 20) enthalte und weist auch darauf hin, dass ja nicht jede Wurzel mit jedem Formelement kombiniert werden könne.

4. Ein weiteres Thema, das er in diesem Zusammenhang anschneidet, ist die Frage danach, wie viele Wörter denn ein Individuum verwenden könne (Pott 1884: 21). Ohne sich diese Zahlen zu eigen zu machen, berichtet er, dass man Angaben finden könne, die zwischen weniger als 300 Wörtern bei vielen Mitgliedern „der arbeitenden Klasse“ (Pott 1884: 21) und „ungefähr 15000 Wörtern“ (Pott 1884: 21) in den Dramen Shakespeares schwanken.

5. Auf den Klangeindruck von Sprachen bezogen meint er: „Von besonderer Wichtigkeit betreffs der Gesamtwirkung eines Sprachidioms auf das Ohr und sonst ist aber das statistische Verhalten der Lautklassen und Einzellaute...“ Er verweist in diesem Zusammenhang auf Arbeiten seines Schülers Förstemann, der als erster Untersuchungen zur Lautstatistik durchgeführt habe, und auf Whitney. Man muss ergänzen: Es ging Förstemann damit vor allem um sprachvergleichende Untersuchungen, die Rückschlüsse auf die verwandtschaftlichen Verhältnisse zwischen den Sprachen zulassen sollten (Best 2006).

6. Dass für Pott die Statistik ein wichtiges Mittel der Erkenntnis ist, wird später noch einmal deutlich, wenn er im Zusammenhang mit Wortbildungsaffixen „eine s t a t i s t i s c h begründete Einsicht in die M i t t e l“ fordert, „worüber eine gegebene Sprache im ganzen oder einzelnen zu verfügen hat. An sich ist es doch auch wissenswert, zu erfahren, wie sich dieses oder jenes Idiom desfalles gegen andere im Vorteil oder Nachteil befindet“ (Pott 1884: 46).

7. Ein letztes sprachstatistisches Thema ist zu erwähnen: die Frage nach der Zahl der Sprachen der Erde. Im Zusammenhang mit der Frage nach der Klassifikation wird gefragt, wie viele Sprachen es denn gebe (Pott 1884: 51f.), und er meint, man könne „vielleicht die Zahl 1000“ (Pott 1884: 68) erreichen.

Man kann also konstatieren, dass Pott etliche Themen ansprach, die für die Weiterentwicklung der Quantitativen Linguistik bedeutsam waren. Allerdings muss man mit Koerner (1974: VII) feststellen: „Pott’s contribution to the study of language ... was already beginning to be largely ignored during the 1870‘s and 1880‘s.“ Dies gilt anscheinend in besonderem Maße auch für seine sprachstatistischen Hinweise.


Literatur

  • Bense, Gertrud. 1976. Bemerkungen zu theoretischen Positionen im Werk von A.F. Pott. Zeitschrift für Phonetik, Sprachwissenschaft und Kommunikationsforschung 29. 519-522.
  • Bense, Gertrud. 1979. August Friedrich Pott 1802-1887. Zeitschrift für Phonetik, Sprachwissenschaft und Kommunikationsforschung 32. 19-23.
  • Best, Karl-Heinz. ²2003. Quantitative Linguistik: Eine Annäherung. 2., überarb. u. erw. Auflage. Göttingen: Peust & Gutschmidt.
  • Best, Karl-Heinz. 2005a. Georg Philipp Harsdörffer (1607-1658). Glottometrics 9. 86-88.
  • Best, Karl-Heinz. 2005b. Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716). Glottometrics 9. 79-82.
  • Best, Karl-Heinz. 2006. Ernst Wilhelm Förstemann (1822-1906). Glottometrics. In Arbeit.
  • Gabelentz, Georg von der. 1888. Pott. Allgemeine deutsche Enzyklopädie 26, 478-485. Leipzig: Duncker & Humblot. Wieder abgedruckt in: Sebeok, Thomas A. (ed.). (1966). Portraits of Linguistis. A Biographical Source Book for the History of Western Linguistics, 1746-1963. Vol. 1: From Sir William Jones to Karl Brugmann. Bloomington/ London: Indiana University Press, 251-261.
  • Horn, Paul. 1888. August Friedrich Pott. Beiträge zur Kunde der indogermanischen Sprachen 13. 317-341. Neudruck in: August Friedrich Pott. EINLEITUNG IN DIE ALLGEMEINE SPRACHWISSENSCHAFt preceded by the same author’s ZUR LITERATUR DER SPRACHENKUNDE EUROPAS. Newly edited together with a bio-bibliographical sketch of Pott by Paul Horn by E.F.K. Koerner. With a preface and a new index of names: XVII-XLI. Amsterdam: John Benjamins 1974.
  • Koerner, E.F.K.. 1973. THE IMPORTANCE OF F. TECHMER’S „INTERNATIONALE ZEITSCHRIFT FÜR ALLGEMEINE SPRACHWISSENSCHAFT“ IN THE DEVELOPMENT OF GENERAL LINGUISTICS. Amsterdam: Benjamins.
  • Koerner, E.F.K.. 1974. Preface to the new edition. In: Pott, August Friedrich. EINLEITUNG IN DIE ALLGEMEINE SPRACHWISSENSCHAFT preceded by the same author’s ZUR LITERATUR DER SPRACHENKUNDE EUROPAS. Newly edited together with a bio-bibliographical sketch of Pott by Paul Horn by E.F.K. Koerner. With a preface and a new index of names: VII-XVI. Amsterdam: John Benjamins 1974.
  • Leopold, Joan. 1983. The letter liveth. The life, work and library of August Friedrich Pott (1802-1887). Amsterdam: Benjamins.
  • Plank, Frans. 1993. Professor Pott und die Lehre der Allgemeinen Sprachwissenschaft. Beiträge zur Geschichte der Sprachwissenschaft 3. 95-128.
  • Pott, August Friedrich. 1884. Einleitung in die allgemeine Sprachwissenschaft. Internationale Zeitschrift für allgemeine Sprachwissenschaft 1 (= Techmers Zeitschrift). 1-68. Neudruck in: Pott, August Friedrich. EINLEITUNG IN DIE ALLGEMEINE SPRACHWISSENSCHAFT preceded by the same author’s ZUR LITERATUR DER SPRACHENKUNDE EUROPAS. Newly edited together with a bio-bibliographical sketch of Pott by Paul Horn by E.F.K. Koerner. With a preface and a new index of names: 201-268. Amsterdam: John Benjamins 1974.


Für Hinweise zu A.F. Pott danke ich Frau Gertrud Bense.


Quelle

Karl-Heinz Best: Glottometrics 12, 2006, 75-97