UNITYP - Kölner Universalienprojekt
UNITYP - Das Kölner Universalienprojekt
Das vom Schweizer Linguisten Hansjakob Seiler an der Kölner Universität gegründete Projekt UNITYP erstreckte sich über zwei Jahrzehnte von 1972 bis 1992 und hatte zum Ziel, was sich hinter dem Portmateau UNITYP verbirgt: Die Erforschung sprachlicher Universalien (UNI) und die Sprachtypologie (TYP) zusammenzubringen. Seiler versammelte Linguisten, deren Spezialgebiete nach Möglichkeit die Diversität der Sprachen reflektierten, mit Logikern, Philosophen und Neurologen. Nach Beendigung des Projekts arbeiteten verschiedene ehemalige Mitglieder, auch Seiler selbst, an der theoretischen Fundierung und an deren Anwendungen weiter.
Der deutsche Titel “Sprachliche Universalienforschung und Typologie unter besonderer Berücksichtigung funktionaler Aspekte” macht deutlich, was den Kern des Projektes bildet, und wodurch es sich von anderen abheben möchte: Die Dynamik der Untersuchung und Erforschung universeller Tendenzen in den Sprachen der Welt. Es knüpft an die arbeiten aus dem Kreise Greenbergs an, unterscheidet sich aber dahingehend, dass in einer kleinen, zunehmend wachsenden Anzahl von Sprachen nach gemeinsamen, zugrundeliegenden Prinzipien geforscht werden soll, während das Projekt in Stanford einen Überblick über die Gemeinsamkeiten in 80-100 Sprachen geben wollte.
UNITYP hat es sich nicht zur Aufgabe gemacht, Universalität oder Diversität per se zu erklären, sondern sucht nach gleichwertigen Entsprechungen in Unterschieden. Das Ziel ist es, zu erklären, wie sprachspezifische Tatsachen mit einem universellen Konzept der Sprache in Verbindung steht. Die Grundannahme ist also das fundamentale (indirekte) Verhältnis von Invarianz (Konzepte) zu Variation (einzelsprachlichen Darstellungsformen dieses Konzepts), das in drei hierarchisch abgestuften Ebenen realisiert wird:
1. die Ebene der einzelsprachlichen Fakten.
2. die Ebene des Sprachvergleichs, auf der Vorgehensweisen (Techniken ) der sprachlichen Realisierung eines Konzepts verglichen werden.
3. die Ebene der kognitiven Konzepte.
Inhalt
Der Universalienbegriff bei Seiler
Seiler bedient sich bei seiner Annäherung an eine Definition des Begriffes Universalie verschiedener Ansätze, um die für das Projekt maßgebende zu bestimmen. Dem Selbstverständnis, dass eine Universalie das ist, was allen Sprachen gemein ist, stellt er eine Klassifizierung in verschiedene Universalientypen von Coseriu (1974) zur Seite. Coseriu klassifiziert Universalien bezüglich (b) unterschiedlicher sprachlicher Ebenen, (c) ihres Grades an Allgemeingültigkeit, (d) einzelner Sprachen, (e) semiotischer Ebenen, (f) ihrer Formulierung, und aus (a) logischer Sicht. Ähnlich geht Lieb (1975) vor, indem er ein Universalienkonzept aus (a) naiver, (b) semantischer und (c) pragmatischer Sicht vorschlägt. Universell ist Lieb zufolge all das, was einer Sprache mittels einer Theorie durch eine Person innerhalb eines bestimmten Zeitraums zugesprochen wird. Hier findet sich bereits ein wichtiger Aspekt des Seilerschen Projektes, der später noch einmal aufgegriffen wird: Die Abhängigkeit der Sprache von Person, Zeit und Raum.
Während sich bei Greenberg Universalien aus empirischen Generalisierungen ergeben (vgl. Song 2001: 348), schlägt Seiler vor, es bei Generalisierungen zu belassen, da diese empirisch überprüfbar sind und gegebenenfalls falsifiziert werden können. Empirische Beobachtungen führen demnach zu Generalisierungen über Phänomene, aber nicht zu den Universalien.
Es ergibt sich daraus:
(i) Das Universelle kann nicht mit dem Klassenprodukt der allen Sprachen gemeinsamen Eigenschaften gleichgesetzt werden.
(ii) Das Universelle kann nicht in bestimmten substanziellen Kategorien und formalen Eigenschaften von einzelnen Sprachen gesehen werden.
Universalien müssen daher auf einer anderen Ebene, als auf der einzelner sprachlicher Eigenschaften. Seiler unterscheidet dabei zwischen den Begriffen generell und universell. Generalisierungen implizieren ein prüfbares Feststellen von Zusammenhängen und Gesetzmäßigkeiten als Voraussetzung für die Erkenntnis von möglichen Universalien, währen Universalien darüber hinausgehen. Sie sind verbunden mit der Zweckgerichtetheit von Sprache, mit universeller Gültigkeit, die nicht in sprachlichen Fakten reflektiert werden. Das Vorhandensein bestimmter Eigenschaften oder Gesetzmäßigkeiten ist nach Seiler ein Resultat! Beobachten kann man allerdings nur Mittel zur Lösung von kommunikativen Aufgaben, die selber nicht beobachtbar sind, allenfalls induktiv rekonstruierbar. Universell gültige Prinzipien sind demnach etwas den sprachlichen Gegebenheiten Vorausgehendes (antecedens). Indem Generalisierungen zueinander in Beziehung gesetzt werden und außersprachliche Faktoren einbezogen, wird das Zweckgerichtete an den Prinzipien deutlicher und Erscheinungen in Einzelsprachen erklärbar.
Das UNITYP-Projekt
Aus den Gedanken zu Universalien und der Beobachtung zurückliegender Forschung, wird in Köln versucht eine Methode zu etablieren, die Zweck und Gerichtetheit (Teleonomie) von Sprache stärker in den Vordergrund rückt. Sie folgt dabei dem Baukastenprinzip (Integron): Konzepte sind dynamische Bausteine und können sich in Einzelsprachen unterscheiden. Lediglich der Kastenhat universellen Charakter: Das ordnende Prinzip der Dimensionen, Operationen und Kontinua. Sprache wird als Instrument wahrgenommen und der Kern der Untersuchung liegt in der unabhängigen Beschreibung und funktionalen Interpretation einer Sprache. Werden zum Beispiel Variationen beobachtet, ist die Rekonstruktion des Zweckes und seiner Funktion (universelles Prinzip) die Aufgabe. Denn die grundlegende Annahme kautet: bestimmte strukturelle Phänomene einer Sprache (auch wenn sie Form und Bedeutung nicht teilen) können unter einem gemeinsamen (funktionalen) Nenner zusammengefasst werden.