Kompositum

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Kompositum (de)

Klassifikation

Komposita sind Wortzusammensetzungen freier Morpheme, die durch den Prozess der Komposition gebildet werden und den am häufigsten vorkommenden Worttyp in der deutschen Wortbildung darstellen.
Meist sind Komposita binär gegliedert und bestehen aus zwei im Zusammenhang miteinander stehenden Konstituenten oder aus einem Konfix (häufig aus dem Eurolateinischen oder dem Englischen entlehnte Einheiten) und aus einer von ihm geforderten Konstituente.
Die beiden Konstituenten werden in Erst- und Zweitglied unterteilt, wobei die beiden Glieder des Kompositums entweder einander gleich gestellt sein (Koordination) oder einander über- oder untergeordnet sein (Subordination) können.
Bei einem Kompositum unterscheidet man außerdem zwischen dem Kopf und dem Kern einer Komposition. Das Zweitglied bildet in der Regel den Kopf und bestimmt somit die Wortart, das Genus und die Flexionsklasse der Komposition.

In den meisten Fällen werden Komposita zusammengeschrieben, bis auf einige Ausnahmen, wie z. B. bei einzelnen Entlehnungen aus dem Englischen, die auch in Getrenntschreibung zulässig sind (z.B. Soft Drink).

Schreibweise mit Bindestrich

Bei mehrgliedrigen Eigennamen (z.B. Wilhelm-Hittorf-Gymnasium), Initialwörtern, bei denen ein Übergang zwischen Buchstabenwörtern und gebräuchlicher Schreibweise stattfindet (z.B. BMW-Fahrer) und bei Komposita mit Ziffern (z.B. Fünf-Sekunden-Intervalle) wird stets der Bindestrich verwendet. Bei der Bildung von polymorphemischen Komposita mit mehr als vier Morphemen wird der Bindestrich auch eingesetzt und dient hier als Segmentierungshilfe. Gebräuchlich ist dieser auch bei Kopulativkomposita, wobei hier die beiden Konstituenten auch durch eine Konjunktion und verbunden werden können, da diese gleichwertig sind. Der Bindestrich wird auch bei Kompositionen aus einem entlehnten Fremdwort und einem deutschen Wort eingesetzt, um eine Abgrenzung zu schaffen(z.B. Dessert-Rezept). Und schließlich erscheint dieser auch bei Komposita, die einen Markennamen als Erstglied enthalten (z.B. Tempo-Taschentuch).[1]

Polymorphemisches Kompositum

Eine junge Erscheinung in der deutschen Sprache ist das polymorphemische Kompositum (welches bei Grimm nicht beschrieben wurde), das aus vier oder mehr Morphemen besteht. Am häufigsten sind Bildungen aus einem Adjektiv- oder Verbstamm mit einem substantivischen Endglied (z.B. Autobahnraststätte). Anders als zwei- oder dreimorphemische Substantivkomposita weisen die polymorphemischen Komposita einige Besonderheiten auf, so z. B. die häufige Verwendung des Bindestrichs (siehe Schreibweise mit Bindestrich), sowie die Tendenz zur Verwendung von Kürzungen (z.B. Bundesausbildungsförderungsgesetz oder BAföG).

Erstglieder

Substantiv als Erstglied

Die Zusammensetzung zweier Substantive ist besonders häufig vertreten.
Meist wird der vom Erstglied bezeichnete Gegenstand, von dem Wesen/Objekt oder der Institution, die von dem Zweitglied bezeichnet wird, regiert. Das Erstglied kann entweder in der reinen Stammform (Tag-falter), aber auch durch Flexionselemente markiert auftreten (Tag-es-licht). Als Fugenelemente dienen hier -e-, -(e)n-, -er-, -(e)s- und -ens-. Das Verhältnis zwischen Bezugs- und Grundwort wird manchmal nicht eindeutig gekennzeichnet und setzt voraus, dass der Hörer einige Kenntnisse in Bezug auf diese mit sich bringt.

Adjektiv als Erstglied

Die Bildung von Kompositionen mit einem adjektivischen Erstglied ist in der deutschen Sprache weniger vertreten, da adjektivische und substantivische Erstglieder formal identisch sind und sich erst durch Paraphrasen unterscheiden lassen. Insofern lässt sich die Seltenheit der Kompositionen mit einem adjektivischen Erstglied dadurch begründen, dass sobald es sich um Adjektive mit einem indigenem Derivatsufix (-bar, -ig, -ich, -lich) handelt, diese durch eine substantivische Basis in einem Kompositum ersetzt werden (z.B. menschliches Herz = Menschenherz).

Verbstamm als Erstglied

Ein Verb als Erstglied steht immer ohne die Endung -en des Infinitivs in einem Kompositum, also in der einfachen Stammform. Nicht selten wird das Fugenelement -e- zwischen die beiden Konstituenten gesetzt, früher aufgrund der schwachen Verben, heute auch aus lautlich-rhythmischen Gründen( z.B. Lesezirkel).

Pronomen als Erstglied

Die Bildung von Komposita mit Pronomen als Erstglied im substantivischen Kompositum setzt voraus, dass die Komposition insgesamt als ein Substantiv anzusehen ist. Diese ist eher selten und betrifft nur vereinzelte Pronomen.
Zu den verwendeten Personalpronomina zählen ich und wir (z.B. Ich-Erzählung, Wir-Bewusstsein). Des Weiteren sind Fragepronomina sehr geläufig (z.B. Werfall).
Komposita mit Possessivpronomen mein und dein werden zwar verwendet, sind aber nur im Textzusammenhang verständlich (z.B. Mein-Tag).
Demonstrativpronomen und Indefinitpronomen als Erstglied einer Komposition treten in der deutschen Sprache nicht auf. Die Seltene Verwendung von Pronomen als Erstglied wird auf ihre situationsbestimmte Funktionsweise zurückgeführt.

Numerale als Erstglied

Als Numerale im Kompositum erscheinen Zahlen unter zehn, wobei sich die Zahl im Erstglied nicht konkret auf das Zweitglied bezieht (z.B. bedeutet Zweikampf nicht, dass es sich um zwei Kämpfe handelt, sondern dass zwei Gegner gegeneinander antreten). Zudem werden Numeralien als Ordnungszahlen (z.B. Zweitwagen) oder als Wiederholungswörter (z.B. Dreifachsieg) verwendet. Die Zahl Null bekommt hier eine Sonderstellung, da sie entweder eine Negation ausdrückt, oder sich konkret auf den Wert ‚Null‘ bezieht.

Konfix als Erstglied

Als Konfixe werden vorwiegend Morpheme aus dem Lateinischen oder Griechischen, die über das Englische ins Deutsche übernommen wurden (mikro-, makro-, pseudo-), verwendet. Einige Elemente aus dem Englischen, die in der deutschen Sprache nicht frei beweglich sind, werden aber auch als Erstglied im Kompositum eingesetzt (z.B. Allroundtalent).

Herkömmliche Typisierung

Determinativkomposita

Determinativkomposita stellen den häufigsten Typ der Komposition dar. Diese werden durch den Prozess der Subordination gebildet. Determinativkomposita sind hypotaktisch verbunden, was so viel heißt, wie: Die erste Konstituente - Substantiv, Adjektiv oder verbales Morphem - ist der zweiten - Adjektiv oder Substantiv- untergeordnet, wobei die zweite Konstituente die grammatische Funktion des Kompositums festlegt (Wortart und Flexion). Also bildet die zweite Komponente den Oberbegriff (Hyperonym) in Bezug auf die Erste, d.h. A+B = B.
„Bei Komposita heißt die determinierte, übergeordnete Zweiteinheit Grundwort oder Determinatum; diedeterminierende, untergeordnete Ersteinheit heißt Bestimmungswort oder Determinans.“[1]
Gehören die beiden Konstituenten verschiedenen Wortklassen an, so kann die Subordination leicht erfasst werden. Handelt es sich um Konstituenten einer gleichen Wortklasse, so kann die Subordination durch eine Umstellprobe sichtbar gemacht werden.

Exozentrische Determinativkomposita

Exozentrische Determinativkomposita sind Komposita, die zur Bezeichnung von Personen, Pflanzen oder Tieren verwendet werden (z.B. Schwarzdorn, Rotkehlchen). Hier gilt nicht die oben genannte Regel: A + B = B, sondern A+B bezeichnen hier etwas, das außerhalb von B liegt und alleine durch die zweite Konstituente nicht erfassbar ist.
Exozentrische Determinativkomposita werden auch Possessivkomposita genannt und oft als eine eigene Gruppe neben Determinativkomposita und Kopulativkomposita beschrieben.

Kopulativkomposita

Anders als bei dem Determinativkompositum gehören beide Konstituenten des Kopulativkompositums ein und derselben Wortart und Bezeichnungsklasse an. Das Verhältnis zwischen den Konstituenten ist also anders als bei Determinativkomposita parataktisch. Das Zweitglied eines Kopulativkompositums bestimmt nicht das Erstglied, die beiden Glieder der Komposition sind gleichwertig und können als ein gleichberechtigtes Nebeneinander betrachtet werden.

Man unterscheidet folgende Arten der Kopulativkomposita:

  • Exozentrische Kopulativkomposita sind Komposita, bei denen weder das Erst- noch das Zweitglied das ganze Kompositum erfassen kann (z.B. Strumpfhose).
  • Endozentrische oder konjunktive Kopulativkomposita bezeichnen Wortzusammensetzungen aus zwei oder mehreren gleichwertigen Morphemen einer Wortart, wobei die Bezeichnungen nicht synonymisch sondern eher antonymisch verwendet werden, da es darum geht die Verbindung unterschiedlicher Charakterzüge einer Erscheinungsform oder Wesensform zu benennen (So ist z.B. ein Sänger-Darsteller zugleich ein Sänger und ein Schauspieler, oder eine süß-sauer Soße sowohl süß als auch sauer.).

Possessivkomposita

Possessivkomposita können als Erstglied ein Verb, ein Substantiv oder auch ein Adjektiv besitzen. Meist verläuft die Bezeichnung nicht endozentrisch, sondern exozentrisch, was bedeutet, dass die nähere Spezifizierung außerhalb der Konstruktion liegt. Wichtig ist dabei, dass es meist um die Bezeichnungsklasse „Körperteil“ geht und das Kompositum dazu verwendet wird die Eigenschaft oder die Größe dieses Körperteils hervorzuheben (z.B. Schlaukopf, Hasenfuß).

Rektionskomposita

„Rektionskomposita sind meist aus Verben abgeleitete Nomina. Sie ‚nehmen ihr Objekt mit‘; man nennt das ‚Argumentvererbung‘: Auto fahren – Autofahrer.“[2] Rektionskomposita gehören zu der Gruppe der endozentrischen Komposita. Die Beziehung zwischen Kopf und Kern ist relativ eindeutig festgelegt: Der Kopf bezeichnet eine Handlung und der Kern das entsprechende Objekt.

Typenbildung nach Grimm

Die Typisierung der Komposita bei Grimm erfolgt vor allem durch die Betrachtungsweise des Erst-Glieds.

Eigentliche/echte Komposita

Bei den eigentlichen Komposita wird das Erstglied nicht flektiert und auch kein Fugenelement verwendet, sodass das Erstglied aus einem einfachen nominalen Stamm besteht.

Uneigentliche/ Kasuskomposita

Die uneigentlichen Komposita sind Komposita bei denen das Erstglied eine Genitivform und auch Endung aufweist. Hier wird ein Genitivattribut einem Substantiv vorangestellt.

Links

Quellen

  • Fleischer, Wolfgang; Barz, Irmhild (2012):Wortbildung der deutschen Gegenwartssprache. 4., völlig neu bearbeitete Auflage. Berlin: de Gruyter Verlag.
  • Erben, Johannes (1993): Einführung in die deutsche Wortbildungslehre. 3., neubearbeitete Auflage. Berlin: Schmidt Verlag.
  • Donalies, Elke (2005): Die Wortbildung des Deutschen. Ein Überblick. Zweite, überarbeitete Auflage. Tübingen: Gunter Natt Verlag.
  • Klos, Verena (2011): Komposition und Kompositionalität: Möglichkeiten und Grenzen der semantischen Dekodierung von Substantivkomposita. Göttingen: de Grayter ( =Germanistische Linguistik).
  • Vater, Heinz (2002): Einführung in die Sprachwissenschaft. 4., vollständige, überarbeitete Auflage. Paderborn: Wilhelm Fink Verlag.
  • Alber, Birgit (2004): Einführung in die Morphologie des Deutschen. Editrice UNI Service.
  • Nübling, Damalis et al. (2004): Historische Sprachwissenschaft des Deutschen. Eine Einführung in die Prinzipien des Sprachwandels. Tübingen: Gunter Narr Verlag.

Einzelnachweise

  1. Donalies, Elke(2005): Die Wortbildung des Deutschen. Ein Überblick. Zweite, überarbeitete Auflage. Tübingen: Gunter Natt Verlag, S.57.
  2. Vater, Heinz(2002): Einführung in die Sprachwissenschaft. 4., vollständige, überarbeitete Auflage. Paderborn: Wilhelm Fink Verlag, S.80.