Inhaltbezogene Grammatik

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Die inhaltbezogene Grammatik ist eine sprachwissenschaftliche Richtung, die in den 1920er Jahren durch L. Weisgerber (1899–1985) (vgl. B. Weisgerber (2001)) begründet und in der BRD der 1950er Jahre die vorherrschende Lehre wurde, aufbauend auf der Auffassung von Sprache als Energeia, deren Innere Sprachform eine besondere Weltansicht repräsentieren soll.

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Ziel der inhaltbezogenen Grammatik, die in diesem Sinne zu den Weltbild-Theorien zu rechnen ist, ist insbesondere die Erforschung der sprachlichen Zwischenwelt, die eine einzelsprachlich spezifische Weltansicht als eine Art geistiger Vermittlungsinstanz zwischen den ungeordneten Wahrnehmungsinhalten und der jeweiligen Sprachgemeinschaft darstellen soll.

Besonders deutlich wird nach dieser Auffassung die Anverwandlung der Welt, das Worten der Welt durch die Muttersprache im begrifflichen Aufbau des Lexikons, der in Form von Wortfeldern beschrieben wird. Beispielsweise sind Verwandtschaftsbezeichnungen in verschiedenen Sprachen unterschiedlich gegliedert. Die deutschen Wörter Eltern, Gatten, Ehepaar fassen die (an sich schon der sprachlichen Zwischenwelt angehörigen) Begriffe Vater/Mutter bzw. Mann/Frau zu einer Einheit zusammen, ebenso etwa wie Geschwister und Kind (Bruder/Schwester; Sohn/Tochter) – eine Strukturierung als Ergebnis des 'sprachlichen Zugriffs' auf die Welt.

Weisgerbers Auffassungen wurden in der Folge vielfach modifiziert (W. Porzig (1895–1961), J. Trier (1894–1970), G. Ipsen (1899–1984), H. Gipper u. a.).

Der sprachphilosophische Hintergrund der inhaltbezogenen Grammatik ist umstritten. Erkenntnistheoretisch ähnlich ausgerichtete Ansätze finden sich z. B. in der Sapir-Whorf-Hypothese. Einen Überblick bieten Dittmann (1993) und Helbig (2002).

Klassifikation

Die inhaltbezogene Grammatik ist in vier Stufen konzipiert: (1) laut- und gestaltbezogene Grammatik als Beschreibung der laut- und formbezogenen Aspekte,

(2) inhaltbezogene Grammatik als Beschreibung des Aufbaus des Wortschatzes,

(3) leistungsbezogene Grammatik und

(4) Wirkungen des sprachlichen Zugriffs in der Lebenspraxis der Sprachgemeinschaft.

Bei (1) und (2) handelt es sich um statische Bestandsaufnahmen. (3) und (4) repräsentieren das dynamische Prinzip der Sprachbetrachtung.

Synonyme

Sprachinhaltsforschung

Energetische Sprachauffassung

Synergetische Sprachwissenschaft

Link

Inhaltbezogene Grammatik in Norbert Fries, Online Lexikon Linguistik

Literatur

  • J. Dittmann, Inhaltbezogene Grammatik. HSK 9.1, 242–257.
  • H. Gipper (Hg.), Sprache – Schlüssel zur Welt. Festschrift für L. Weisgerber. Ddf. 1959.
  • – Ders., Das Sprachapriori. Stuttgart 1987.
  • G. Helbig, Linguistische Theorien der Moderne. Berlin 2002.
  • M. T. Rolland, Inhaltbezogene Grammatik. DS 1996/3, 250–268.
  • B. Weisgerber, Sprache als gesellschaftliche Erkenntnisform. Ein Beitrag zu Leo Weisgerbers ungedruckter Habil.schrift aus dem Jahre 1924. Orbis 2001/17, 135–152.
  • L. Weisgerber, Von den Kräften der deutschen Sprache. 4 Bde., Düsseldorf 1949–1954.
  • I. Werlen, Sprache, Mensch und Welt. Darmstadt 1989.

Bibliographie: H. Gipper et al., Bibliographisches Hdb. zur Sprachinhaltsforschung. Köln 1967.