Textsorten

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Unter Textsorten versteht man Mengen authentischer Texte mit übereinstimmenden Merkmalen, die nicht für alle Texte gelten.

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Im Gegensatz zu dem stärker theoriebezogenen Terminus Texttyp bezieht sich der Begriff Textsorte auf authentische Texte in der Alltagskommunikation.

  • Den Ausdruck Textsorte verwenden wir als bewusst vage gehaltene Bezeichnung für jede Erscheinungsform von Texten, die durch die Beschreibung bestimmter, nicht für alle Texte zutreffender Eigenschaften charakterisiert werden kann, unabhängig davon, ob und auf welche Weise diese Eigenschaften im Rahmen einer Texttypologie theoretisch erfassbar sind (Isenberg 1983: 308).

Heinemann und Viehweger grenzen den Begriff Textsorte als Alltagsklassifikation vom Terminus Texttyp als theoriebezogene Kategorie zur wissenschaftlichen Klassifikation von Texten ab (Heinemann & Viehweger 1991: 144).

Subtypen

Kriterien für die Textsortenklassifizierung werden von der Texttypologie (in der Texttheorie) erwartet: hier werden (in der Regel handlungstheoretisch fundiert) Modelle und theoriebezogene Erklärungen für Textsortenklassifizierungen entwickelt. Die Wahl unterschiedlicher Differenzierungskriterien bedingt verschiedene Textsortenklassifizierungen, die sich häufig auf Gebrauchstexte beschränken.

In der Textsortenklassifizierung unterschied man zunächst textintern gewonnene von textextern gewonnenen Differenzierungskriterien (vgl. Gülich & Raible 1975, darin besonders Sandig 114 ff, 118).

Als Basiskriterium für die Klassifizierung von Textsorten wird in der Regel die Textfunktion gewählt (Große 1976, Brinker 1992, Rolf 1993). Unter Textfunktion versteht Große die durch sprachliche Ausdrücke vermittelte, an Rezipienten gerichtete Instruktion, wie der Text zu verstehen sei (Große 1976: 15 ff, 26, 68), Brinker die Kommunikationsabsicht des Textverfassers, die im Text mit konventionell geltenden Mitteln realisiert ist (Brinker 1992: 86). Brinker bezeichnet die Textfunktion explizit als Basiskriterium für die Differenzierung von Textsortenklassen und nimmt Subklassifizierungen unter kontextuellen und strukturellen Kriterien vor (Brinker 1992: 125 ff).

Nach der Textfunktion unterscheidet Brinker [. . .]

  • Informationstexte (Nachricht, Bericht, Sachbuch, Rezension [. . .] )
  • Appelltexte (Werbeanzeige, Kommentar, Gesetz, Antrag [. . .] )
  • Obligationstexte (Vertrag, Garantieschein, Gelöbnis [. . .] )
  • Kontakttexte (Danksagung, Kondolenzschreiben, Ansichtskarte [. . .] )
  • Deklarationstexte (Testament, Ernennungsurkunde [. . .] )" (125).

Als kontextuelle Kriterien (situative Faktoren) nennt Brinker

  • die Kommunikationsform, nach der z. B. direkte Gespräche, Telefongespräche, Rundfunksendungen, Fernsehsendungen, Briefe und Zeitungsartikel oder Bücher unterschieden werden (126 ff),
  • den Handlungsbereich (privat, offiziell, öffentlich), der die Strukturen der Texte wesentlich beeinflusst (128 ff).

Als strukturelle Kriterien (130 ff) führt Brinker an

  • die Art des Textthemas, wobei die zeitliche Fixierung des Themas relativ zum Sprechzeitpunkt als temporale Orientierung (z. B. in Nachricht, Protokoll, Horoskop) (130) der Relation zwischen Emittent bzw. Rezipient und Thema als lokale Orientierung (z. B. in Zeitungsannoncen und -kommentaren) gegenübergestellt wird (131),
  • die Form der thematischen Entfaltung, wobei zwischen deskriptiver, narrativer, explikativer und argumentativer Themenentfaltung unterschieden wird, die weitgehend den Textfunktionen entsprechen (131 f).

Nach ihrer Funktion unterscheiden Beaugrande & Dressler (1981) deskriptive, narrative und argumentative Texte.

  • Deskriptive Texte dienen [. . .] zur Auffüllung von Wissensräumen, deren Steuerungsmittelpunkte Objekte oder Situationen sind (Beaugrande & Dressler 1981: 190).
  • Narrative Texte ordnen nach Beaugrande & Dressler Handlungen und Ereignisse in einer bestimmten Reihenfolge an. Häufige konzeptionelle Relationen sind hier Ursache, Grund, Zweck, Ermöglichung und zeitliche Nähe (190).
  • Für argumentative Texte [. . .] sind konzeptuelle Relationen wie Grund, Signifikanz, Wollen, Wert und Gegensatz typisch. Der Oberflächentext wird oft kohäsive Mittel zum Ausdruck von Hervorhebung und Nachdruck aufweisen, z. B. Rekurrenz, Parallelismus und Paraphrase, [. . .] (190 f).

Beaugrande und Dressler weisen darauf hin, dass man in vielen Texten eine Mischung von deskriptiven, narrativen und argumentativen Funktionen findet (191).

Van Dijk geht bei der Differenzierung von Textsorten von unterschiedlichen Superstrukturen (mit bestimmten semantischen Makrostrukturen) aus, die für den Text als Ganzes gelten (van Dijk 1980: 128 ff).

  • [. . .] eine Superstruktur ist eine Art Textform, deren Gegenstand, Thema, d. h. Makrostruktur, der Textinhalt ist (128).
  • [. . .] eine Superstruktur ist eine Art abstraktes Schema, das die globale Ordnung eines Textes festlegt [. . .] (131).

Van Dijk nennt als Beispiele für Superstrukturen narrative Strukturen, argumentative Strukturen, Strukturen wissenschaftlicher Abhandlungen (140 ff).

Unter dem Aspekt des Bezugs zur außersprachlichen Realität und unter Referenzaspekten werden fiktionale von nichtfiktionalen Texten unterschieden, Gebrauchstexte (pragmatische Texte) von literarischen oder poetischen Texten. Nach Jakobson dominiert in der Poesie die poetische Funktion der Sprache im Vergleich zur referentiellen. Das poetische Zeichen verweise nicht eindeutig auf etwas, sondern lasse sich in mehrfacher Weise interpretieren.

  • Der Vorrang der poetischen Funktion vor der referentiellen löscht die Referenz nicht aus, sondern macht sie doppeldeutig (Jakobson 1972 (1966): 127).

Schmidt bezeichnet Fiktionalität als textsemantische Kategorie in ästhetischer Kommunikation (Schmidt 1972: 64). Danach sind fiktionale Texte situationsabstrakt (66) und polyfunktional (67), sie enthalten Leerstellen, die von jedem Rezipienten anders ausgefüllt [. . .] werden können (67). Polyfunktional vertextete Textkonstituenten sind nach Schmidt strukturell polyvalent, d. h. semantisch unterdeterminiert, funktional überspezifiziert sowie pseudoreferentiell (70).

Beaugrande und Dressler kritisieren (unter Hinweis auf Weinrich 1966) die Gleichsetzung literarischer mit fiktionalen Texten, da es auch fiktionale Texte gebe, die nicht literarisch sind, z. B. Lügen (Beaugrande & Dressler 1981: 191).

  • Fiktionalität ist keine hinreichende Begründung für Literarität (191).

Beaugrande und Dressler schlagen als Definition für den literarischen Text vor:

  • [. . .] ein Text, dessen Welt in einer systematischen Alternativbeziehung zur akzeptierten Version der 'realen Welt' [. . .] steht (191).

Siehe auch

Texttypologie, Textfunktion, Intertextualität, Textmuster, Textmusterwissen, Textthema, thematische Entfaltung, Makrostruktur, Superstruktur, Referenz

Synonym

Textklassen

Link

Eva Schoenke, Textlinguistik-Glossar

Literatur

  • de Beaugrande, Robert-Alain und Wolfgang U. Dressler. 1981. Einführung in die Textlinguistik (= Konzepte der Sprach- und Literaturwissenschaft 28). Tübingen: Niemeyer.
  • Brinker, Klaus. 1992. Textlinguistik. Heidelberg: Groos.
  • van Dijk, Teun A.. 1980. Textwissenschaft. Eine interdisziplinäre Einführung. Tübingen: Niemeyer. (niederländisch 1978. Tekstwetenschap. Een interdisciplinaire inleiding. Utrecht/Antwerpen: Het Spectrum).
  • Große, Ernst Ulrich. 1976. Text und Kommunikation. Eine linguistische Einführung in die Funktionen der Texte. Stuttgart: Kohlhammer.
  • Gülich, Elisabeth & Raible, Wolfgang (Hrsg.) 1975. Textsorten. Differenzierungskriterien aus linguistischer Sicht. 2. Auflage. Wiesbaden: Athenäum. (1. Auflage 1972).
  • Heinemann, Wolfgang & Dieter Viehweger. 1991. Textlinguistik. Eine Einführung (= Reihe Germanistische Linguistik 115). Tübingen: Niemeyer.
  • Isenberg, Horst. 1983. Grundfragen der Texttypologie. In Ebenen der Textstruktur (= Linguistische Studien Reihe A Arbeitsberichte 112). Daneš, František, Dieter Viehweger (Hrsg.), 303-342.
  • Jakobson, Roman. 1972. Linguistik und Poetik. In Literaturwissenschaft und Linguistik 1. Ihwe, Jens (Hrsg.), 99-135. Frankfurt: Athenäum. (englisch 1966. Linguistics and Poetics.)
  • Rolf, Eckard. 1993. Die Funktionen der Gebrauchstextsorten. Berlin/New York: de Gruyter.
  • Schmidt, Siegfried J. 1972. Ist 'Fiktionalität' eine linguistische oder eine texttheoretische Kategorie? In Textsorten. Differenzierungskriterien aus linguistischer Sicht. Gülich, Elisabeth & Raible, Wolfgang (Hrsg.), 59-71. Frankfurt: Athenäum. (2. Auflage 1975)
  • Weinrich, Harald. 1966. Linguistik der Lüge. Heidelberg: Schneider.